Ich hatte es beinahe vergessen – oder verdrängt. Mann steht gutgelaunt und nichtsahnend in seiner Stammkneipe und will einfach nur mit dem besten Kumpel sein Helles süffeln, bis ein Schwarm gackernder Hühner die Thekenidylle jäh unterbricht. Ach ja, der Mai ist gekommen und mit ihm das Bedürfnis mancher, sich einfach mal zu trauen.

Ich zähle ihrer elf, die sich im Halbkreis um uns formieren und uns den Fluchtweg abschneiden. Die Trikots in hoffnungsgrün erinnern mich an die brasilianische Fussballdamenmannschaft, das, was sich unter ihnen abzeichnet, eher an eine Starthilfegruppe von weight-watchers. Drei von ihnen sind mit offenbar gut gefüllten Stofftaschen bewaffnet und bei einer anderen lugt 'ne Flasche Mariacron aus dem Miniaturrucksack auf ihrem Rücken.

Nur einen Euro. Natürlich für jeden von uns, und wir dürfen uns was aussuchen. Mein Kumpel nimmt 'nen Schluck Mariacron, ich habe zwischen den Popkorntütchen und den zu Stein gewordenen Kaubonbons vom letzten Karnevalsumzug noch 'nen brauchbaren Lolli entdecken können. Kuss und Glückwunsch an die zukünftige Braut. Damit wäre eigentlich die Sache erledigt – das zumindest denken wir.

Nur einen Euro. Natürlich wieder für jeden von uns. Vor der Tür warten zwei weitere Grüntrikots und zwei Bobby-Cars. Und wer die fünfzig Meter über den menschengefüllten Rathausvorplatz bis zur Treppe ohne Absteigen oder Runterfallen schafft, darf noch mal in die Tüte greifen oder 'nen Schluck aus der Pulle nehmen. Und er darf noch mal die Braut küssen. Na, ist das nicht ein Angebot?

Das Bild muss man sich genüsslich auf der Zunge zergehen lassen: Zwei erwachsene Männer, beide im besten Alter und über einsneunzig, stolpern mit kleinen roten Plastikautos fünfzig Meter über den mit Menschen gefüllten Marktplatz ihrer Heimatstadt an einem Samstagabend gegen halb zehn.

Wen wunderts da wirklich, dass wir noch nicht verheiratet sind?